Fashion Week
Die Geschichte des Bikinis
Dass der älteste Bikini der Welt von einer von einer Statuette einer Göttin getragen wird, die aus der Grabungsstätte des jungsteinzeitlichen Çatal Hüyük in Anatolien stammt, und damit gut siebentausend Jahre alt ist, scheint nicht gesichert. Eindeutiger zu identifizieren sind hingegen die Zweiteiler, die beispielsweise auf griechischen Vasen aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. oder auf sizilianischen Wandmalereien aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. gefunden wurden. Welchem Zweck diese Bekleidung damals diente, und ob sie bei Wettkämpfen oder zum Schwimmen getragen wurde, ist unklar. Auch die Bezeichnung Bikini wurde erst viel später eingeführt; bei den Griechen hieß das Oberteil Mastodeton beziehungsweise Apodesmos, das Unterteil Perizoma. Über Jahrhunderte blieb der Bikini dann von der Bildfläche verschwunden. An Badekleidung überhaupt schien es wenig Bedarf zu geben, denn es wurde nackt geschwommen. Eine weite Unterhose, die im Jahre 1860 in einem Londoner Bad als Badekleidung auftauchte, kommentierte die Times mit den Worten: „Das Tragen irgendeiner Bedeckung ist eine schmutzige Praxis – dadurch werden Krankheiten verborgen und der freie Kontakt des Wassers mit der Haut wird verhindert.“ Schon wenige Jahre später hatte sich das Bild völlig gewandelt: 1864 wurde in Biarritz ein „Schwimmanzug“ für Damen präsentiert, der die damaligen Vorstellungen von Moral und Mode in sich vereinte. Frau ging fortan mit Hut, Stiefeln und Kostüm baden. Berichte über Frauen, die vor dem Ertrinken gerettet werden mussten, ließen nicht lange auf sich warten. Es liegt auf der Hand, dass dies kein zukunftsfähiges Konzept war, insbesondere in Anbetracht des Trends hin zu mehr sportlicher Aktivität, der sich Ende des 19. Jahrhunderts abzeichnete.Eine Verfechterin des Gedankens, das Design der Badekleidung weniger an Moralvorstellungen als an praktischen Erfordernissen zu orientieren, war die australische Schwimmerin und Stummfilmschauspielerin Annette Kellerman. Sie erklärte, es gebe zwei Arten von Schwimmanzügen: solche die zum Schwimmen taugen, und solche, die nur geeignet sind, um damit am Strand zu spielen. Eine Demonstration dessen, was sie als geeigneten Schwimmanzug erachtete, hatte sie bereits im Jahr 1907 abgeliefert, als sie sich an einem Bostoner Strand in einem eng anliegenden Badeanzug – einem Modell mit hohem Halsausschnitt und angeschnittenen Beinen, das, gemessen an heutigen Verhältnissen, sehr züchtig war – gezeigt hatte. Sie löste damit viel Empörung aus und wurde prompt wegen grob unsittlichen Verhaltens verhaftet. Der neuartige Badeanzug setzte sich in den darauf folgenden Jahren dennoch durch. Bei der Olympiade 1912 in Stockholm, Schweden, waren erstmals Frauen zu Schwimmwettkämpfen zugelassen; die Evolution der Badekleidung begann.
In den 30er Jahren vollzog sich ein grundlegender Wandel des Schönheitsideals. Nicht mehr die helle, blasse Haut war gefragt, sondern der sonnengebräunte Körper. Das Design der Badeanzüge trug diesem Bedürfnis Rechnung: Der Rückenausschnitt wanderte nach unten, die Beinausschnitte nach oben und die Ärmel verschwanden. Um diese Zeit kamen in den USA die ersten Zweiteiler auf den Markt und wurden auch bald in Europa populär. Das Oberteil glich bei diesen Modellen einem BH, für das Unterteil – kurze Shorts oder ein Höschen mit Rock darüber – wurde noch verhältnismäßig viel Stoff gebraucht. Der Beinansatz und der Bauchnabel blieben verdeckt.
Dieser Mode versuchte man in Deutschland durch den sogenannten „Zwickelerlass“ zu unterbinden; es wurde verboten, in der Öffentlichkeit zweiteilige Badeanzüge zu tragen, und die Nationalsozialisten verordneten Einteiler mit Beinansatz. Unterdessen sorgte eine 1943 kriegsbedingt beschlossene Rationierung für die Verkleinerung der Bademode in den USA: Der Materialverbrauch für Damenbadekleidung musste um 10% reduziert werden. In Zeitschriften erschienen Fotos von Prominenten wie Rita Hayworth, Ava Gardner, Lana Turner oder Esther Williams im Zweiteiler. Der Anblick spärlich bekleideter Frauen wurde, wenn nicht selbstverständlich, so doch zunehmend toleriert.
Die
Geburtsstunde des modernen Bikinis schlug in Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg. Möglicherweise waren die Menschen in der allgemeinen
Stimmung von Erleichterung und Neuanfang besonders empfänglich
für die Idee, der Befreiung sichtbar Ausdruck zu verleihen.
Innerhalb kurzer Zeit stellten zwei Designer gleichzeitig ihre Modelle
in bisher nie gekannter Knappheit vor.
Jacques Heim, der Inhaber eines Pariser Modehauses kündigte im Mai
1946 seinen Entwurf als den „kleinsten Badeanzug der Welt“
an und nannte ihn „Atom“, in Anspielung auf die kleinste
Einheit der Materie. Heims Modell war noch immer reichlich genug
bemessen, um den Bauchnabel zu bedecken. Eine Sensation wurde der
„Atom“ – vermutlich zu Heims Enttäuschung
– indessen nicht, denn nur wenige Wochen später
präsentierte Louis Réard seinen „Bikini“.
Louis Réard, eigentlich Maschinenbauingenieur von Beruf,
führte die Dessous-Boutique seiner Mutter in Paris. Er hatte
beobachtet, dass Frauen am Strand die Höschen an Beinen und Bund
aufrollten, um mehr Sonnenbräune einzufangen. Daraufhin
kürzte er nochmals radikal und erklärte das Ergebnis als
„kleiner als der kleinste Badeanzug“. Zur Namensgebung
inspirierte ihn das Ereignis, das am 30. Juni 1946 um die Welt ging,
der erste Atomwaffentest der Amerikaner im Bikini-Atoll. Die Kreation
war so gewagt, dass Réard kein Mannequin fand, das bereit war,
in der Öffentlichkeit so viel Blöße zu zeigen –
lediglich vier dreieckige Stoffstücke, von Kordeln
zusammengehalten, verhüllten das Nötigste. Er engagierte
deshalb Micheline Bernardini, eine Stripteasetänzerin aus dem
Casino de Paris. Die Präsentation am 5. Juli 1946 im
Jugendstil-Schwimmbad Piscine Molitor in Paris, war ein Erfolg,
besonders beim männlichen Publikum. Mademoiselle Bernardini
erhielt 50.000 Briefe. Ein Verkaufserfolg wurde der Bikini
zunächst allerdings nicht. An vielen Stränden rund um das
Mittelmeer wurde er sogar verboten, weil er als zu schamlos galt. Bis
zum endgültigen Durchbruch mussten noch etwa zwanzig Jahre
vergehen.
Übrigens
Es waren zunächst Filmstars wie Brigitte Bardot, Marilyn Monroe,
Sophia Loren oder Anita Ekberg, die dem Bikini durch Auftritte in
Hollywoodfilmen zu breiter Akzeptanz verhalfen. Die berühmte
Szene, in der Ursula Andress im weißen Bikini mit Gürtel und
Messer in dem Bond-Klassiker „007 jagt Dr. No“ aus den
Wellen steigt, bleibt unvergessen. 1967 erschien zum ersten Mal eine
indische Schauspielerin, Shamila Tagore, in dem Film „An Evening
in Paris“ im Bikini auf der Leinwand, und obwohl die
Öffentlichkeit schockiert war, entstanden bald darauf weitere
Bollywood-Produktionen, die Schauspielerinnen im Bikini zeigten.
Bikini - Then-and-Now
Zahlreiche Kontroversen begleiteten den Siegeszug des Bikinis von Anfang an. Heute bezieht sich die Kritik hauptsächlich auf drei Punkte. Man fürchtet zum einen ein drohendes Hautkrebsrisiko durch übertriebenes Sonnenbaden; weiterhin ist umstritten, inwiefern der Bikini den Frauen eine Idealfigur aufzwingt, und schließlich gibt es eine Art Kulturstreit, in dem von konservativen buddhistischen und muslimischen Kreisen vorgebracht wird, der Bikini sei ein Instrument, um die Frau zu degradieren.Dem Erfolg des Bikinis scheint dies alles wenig Abbruch zu tun: Der Umsatz in den USA belief sich Anfang der 2000er Jahre auf 811 Millionen US-Dollar. Allerdings – so eine Umfrage – kommen 85% der Bikinis nie mit Wasser in Berührung.